Viele Studien der letzten Jahre haben diese Veränderungen in verschiedenen Fernerkundungsdatensätzen untersucht und festgestellt, dass weltweit jedes Jahr etwa die Landfläche Polens als Blattfläche hinzukommt. Dieses Phänomen wird als sogenannter „Ergrünungstrend“ der Erde bezeichnet. Diese Zunahmen der Blattfläche und der Photosyntheseraten deuten darauf hin, dass auch mehr CO2 aus der Atmosphäre aufgenommen und in den Ökosystemen gespeichert wird, was die wichtige Land-Kohlenstoffsenke der anthropogenen CO2-Emissionen darstellt.

Veränderungen in der Blattfläche und der atmosphärischen CO2-Konzentration bedingen sich jedoch gegenseitig; denn zum einen bedeutet mehr Blattfläche mehr photosynthetisierende Oberfläche und damit mehr CO2-Aufnahme; zum anderen bedeutet erhöhte CO2-Fixierung, dass den Pflanzen mehr Ressourcen zur Verfügung stehen, die wiederum in die Ausbildung von mehr Blättern investiert werden. In einer Studie hat ein Team unter Leitung von Dr. Alexander Winkler (Max-Planck-Institut für Meteorologie, MPI-M) diesen bidirektionalen Kausalzusammenhang anhand von Satellitenbeobachtungen und Simulationen mit Erdsystemmodellen genauer untersucht und genutzt, um die hohen Unsicherheiten in den Vorhersagen der Kohlenstoffaufnahme durch Pflanzen als Reaktion aufsteigendes CO2 zu reduzieren (Winkler et al., 2019).

In einer Folgestudie haben Winkler et al. nun die Mechanismen, die den beobachteten Ergrünungsmustern zugrunde liegen, eingehender untersucht. Warum nimmt die Blattfläche der Erde überhaupt zu? Die Wissenschaft ist sich uneinig darüber, welche Treiber zu welchem Anteil hinter dem Ergrünen der Erde stecken. Klimatische Veränderungen spielen dabei vermutlich aufgrund steigender Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre eine entscheidende Rolle. Ein Beispiel: in den hohen Breiten, also den Ökosystemen der Tundra und borealen Wäldern, scheint die starke Erwärmung in den letzten Jahrzehnten die Pflanzenaktivität anzutreiben. Die Produktivität der Ökosysteme im Norden ist hauptsächlich durch zu kurze Wachstumsphasen und niedrigen Temperaturen beschränkt. Die verstärkte Erwärmung der Arktis scheint diese Limitierung der Produktivität zu lockern, was sich hauptsächlich in einer Verlängerung der jährlichen Vegetationsperiode äußert, aber auch in einer generellen Erhöhung der Pflanzenaktivität. Als weitere Treiber wurden der Düngungseffekt durch erhöhten Stickstoffeintrag aus der Luft, intensivierte Landnutzung, sowie das allgemeine Nachwachsen der gemäßigten Wälder postuliert, als Haupttreiber jedoch wird der sogenannte „CO2-Düngungseffekt“ ins Feld geführt. Mit steigender atmosphärischer CO2-Konzentration steigt auch die CO2-Konzentration im Blattinneren der Pflanzen. Durch verschiedene physiologische Mechanismen können die Pflanzen ihre Licht- und Wassernutzungseffizienz erhöhen, sodass allgemein steigende CO2-Konzentrationen zur Steigerung der Photosyntheseraten anregen und damit den CO2-Düngungseffekt auslösen.

ImFokus_Ergruenung_Abb1.png

Abbildung 1: Die natürliche Vegetation zeigt bei steigendem CO2 gegenläufige Blattflächenindex-Trends (LAI kurz für: Blattflächenindex/Leaf Area Index). Die grüne Einfärbung zeigt Gebiete an, in denen die Dichte der Vegetation bzw. der Blattflächenindex im betrachteten Zeitraum (1982-2017) zugenommen hat. Rötliche Farben zeigen dagegen Gebiete, in denen der Blattflächenindex bei steigenden CO2 abnimmt. Bereiche ohne signifikante Veränderungen sind grau dargestellt. Weiße Flächen stellen landwirtschaftlich genutzte Flächen oder Eisschilde dar.

Diese Treiber, insbesondere die Auswirkungen von klimatischen Veränderungen sowie des CO2-Düngungseffekts auf die Ökosysteme, müssen auf globaler Ebene besser verstanden werden, um die Landsenke anthropogener CO2-Emissionen und damit die zukünftige Entwicklung der atmosphärischen CO2-Konzentration besser einschätzen zu können. In Zusammenarbeit mit einem internationalen Team von Entwicklerinnen und Entwicklern der weltweit führenden Landoberflächenmodelle, die alle auf die eine oder andere Weise die wesentlichen Prozesse repräsentieren, haben Winkler und sein Team am MPI-M und der Boston University in einer groß angelegten Modellierungsstudie die Mechanismen der satellitenbeobachteten Ergrünung für alle wichtigen Ökosysteme der Erde entschlüsselt. Mit Hilfe von sogenannten „faktoriellen“ Experimenten, bei denen die untersuchten Treiber ein- und ausgeschaltet werden können, kann der jeweilige Beitrag der beiden postulierten Haupttreiber, also der Wirkung klimatischer Veränderungen und der CO2-Düngungseffekt, zum Ergrünungstrend abgeschätzt werden. Zusätzlich zu den Simulationen mit den Landoberflächenmodellen wurden diese faktoriellen Experimente mit dem voll-gekoppelten Erdsystemmodell des Max-Planck-Instituts für Meteorologie (MPI-ESM) auf dem Hochleistungsrechner Mistral am Deutschen Klimarechenzentrum (DKRZ) durchgeführt. Dieser Ansatz erlaubte Winkler et al. auch eine Einschätzung, wie stark die interne Variabilität des Klimasystems, die nur in einem gekoppelten Erdsystemmodell auftritt, die Ergrünung beeinflusst.

Die neuesten und aktualisierten Satellitenprodukte, die in der Studie analysiert wurden, zeigen, dass der Ergrünungstrend zu stagnieren scheint, und in einigen Ökosystemen sogar ein Rückgang der Blattfläche zu verzeichnen ist. Vor allem im pan-tropischen grünen Gürtel dichter Vegetation nimmt die Blattfläche ab. Die verwendeten Modelle, ob als durch beobachtete Klimadaten angetriebene eigenständige Landoberflächenmodelle, oder als interaktive Teilmodelle in einem Erdsystemmodell, reproduzieren jedoch nicht das Ausmaß des beobachteten Blattflächenverlustes. In den faktoriellen Experimenten, wo der CO2-Düngungseffekt "ausgeschaltet" wurde, die klimatischen Veränderungen aber "angeschaltet" sind, simulieren die Modelle jedoch einen mit den Beobachtungen vergleichbaren Blattflächenverlust in tropischen Wäldern. Demnach führen klimatische Veränderungen in den tropischen Wäldern zu einem Verlust an Blattfläche, der in den Modellen jedoch von der durch den CO2-Düngungeffekt bedingten Ergrünung kompensiert wird.

Eine Untersuchung der Niederschlagsmuster zeigt, dass der Blattflächenverlust höchstwahrscheinlich mit der langfristigen Austrocknung und den wiederkehrenden Dürren verbunden ist. Als Hotspot kristallisieren sich die zentralafrikanischen Feuchtwälder heraus. Dort ist seit den 1970er Jahren ein langfristiger Trocknungstrend zu beobachten: stetiger Rückgang der Niederschläge sowohl in der Trocken- als auch in der Regenzeit. Die Ursache der Niederschlagsabnahme ist noch umstritten. Es wird erwartet, dass die Niederschläge im äquatorialen Afrika unter dem Klimawandel zunehmen könnten; daher wird vermutet, dass dieser Trend auch mit den multidekadischen Klimaoszillationen und/oder Veränderungen im westafrikanischen Monsun-System zusammenhängt. Unabhängig von den Ursachen hat dieser langfristige Wassermangel höchstwahrscheinlich zu dem am stärksten ausgeprägten Blattflächenverlust in den tropischen Wäldern der Erde geführt.

Der auf Basis von Satellitendaten ermittelte Blattflächenindex ist hier für den Zeitraum 1982 bis 2016 durch die Höhe der Landfläche dargestellt. Wie eine Welle, die hin und her läuft, ist hier der jahrezeitliche Zyklus zu erkennen. Die Einfärbung dieser Fläche zeigt den jeweiligen prozentualen Trend auf Basis eines gleitenden 5-Jahresmittels; dabei zeigt eine grüne Einfärbung einen Ergrünungstrend, während Gebiete, in denen die Vegetation abnimmt, bräunlich dargestellt werden.

Die von Michael Böttinger (DKRZ) zusammen mit Alexander Winkler erstellte Animation zeigt, wie sich der Trend des Blattflächenindex im tropischen Zentralafrika über die Jahrzehnte entwickelt, von einer anfänglichen Ergrünung bis hin zu einem Rückgang der Blattfläche in den letzten beiden Jahrzehnten der Satellitendaten.

Insgesamt könnte die Verlangsamung des beobachteten Ergrünungstrends und der Verlust von Blattfläche in den hochproduktiven Ökosystemen der Tropen auf eine Schwächung der terrestrischen Kohlenstoffsenke hindeuten. Dies könnte bedeuten, dass ein größerer Teil der zukünftigen CO2-Emissionen tatsächlich in der Atmosphäre verbleibt und damit den Klimawandel beschleunigt.

Publikationen und Literatur:

Winkler, A.J., Myneni, R.B., Alexandrov, G.A., Brovkin, V., 2019. Earth system models underestimate carbon fixation by plants in the high latitudes. Nature Communications 10, 885. https://doi.org/10.1038/S41467-019-08633-Z

Winkler, A.J., Myneni, R.B., Hannart, A., Sitch, S., Haverd, V., Lombardozzi, D., Arora, V.K., Pongratz, J., Nabel, J.E.M.S., Goll, D.S., Kato, E., Tian, H., Arneth, A., Friedlingstein, P., Jain, A.K., Zaehle, S., Brovkin, V., 2021. Slow-down of the greening trend in natural vegetation with further rise in atmospheric CO2. Biogeosciences Discussions 1–36. https://doi.org/10.5194/bg-2021-37

Autor und Wissenschaftlicher Kontakt:

Alexander J. Winkler, Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) in Hamburg und Max-Planck-Institut für Biogeochemie (MPI-BGC) in Jena: YWxleGFuZGVyLndpbmtsZXJAbXBpbWV0Lm1wZy5kZQ== oder YXdpbmtsZXJAYmdjLWplbmEubXBnLmRl

Weiterführende Informationen:

Keywords
Klima