Meereisrinnen können dennoch eine große Rolle spielen, obwohl ihre Gesamtfläche klein gegenüber der des Meereises ist. Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre und Ozean werden durch Meereis signifikant eingeschränkt, so dass der Austausch von Wärme etwa nur  in Rinnen bzw. eisfreien Flächen oder Flächen mit sehr geringer Eisdicke erfolgen kann. Es ist bekannt, dass der turbulente Wärmeaustausch in meereisbedecktem Gebiet sehr stark von den Eigenschaften der Rinnen abhängt, wobei kleine Änderungen des Flächenanteils der Meereisrinnen erhebliche Änderungen der Temperatur in der atmosphärischen Grenzschicht bedingen können (Lupkes et al., 2008). Eine genaue Kenntnis der Gestalt des Meereises einschließlich der Charakteristik von Rinnen ist ebenfalls wichtig für die Schifffahrt in der Arktis (Jung et al., 2016).

Trotz der großen Relevanz von Meereisrinnen für das arktische Klima ist es relativ unbekannt, wie gut sie sich in heute üblichen Meereismodellen darstellen lassen. Im Rahmen dieser Untersuchung soll demonstriert werden, dass sich solche kleinräumigen linearen Erscheinungen mit traditionellen Meereismodellen erfolgreich simulieren lassen. Eine Vorbedingung dafür ist eine ausreichend hohe räumliche Auflösung sowie die numerische Konvergenz der Meereis-Gleichungslöser, die oft vernachlässigt wird. In der hier vorgestellten Arbeit wird das arktische Meereis auf Basis des elastisch-viskoplastischen (EVP) Ansatzes mit einem globalen Meereismodell bei einer lokalen Auflösung von 4.5 km simuliert und gezeigt, dass viele Eigenschaften der simulierten Risse bzw. Rinnen gut mit Beobachtungen übereinstimmen, die heute ebenfalls in vergleichbarer Auflösung verfügbar sind. Damit wird es möglich, Variabilität und Trend im Vorkommen von Meereisrinnen anhand einer mehrere Dekaden umfassenden Simulation zu untersuchen.

Die Simulationen wurden mit dem „Finite Element Sea-ice Ocean Model“ (FESOM, siehe auch Wang et al., 2014, Danilov et al., 2015) durchgeführt, dem ersten ausgereiften globalen Meereis-Ozeanmodell auf Basis eines unstrukturierten Gitters. Die globale Grundkonfiguration hat eine Auflösung von 1 Grad (etwa 111 km). Nördlich von 45°N wurde die Auflösung auf etwa 24 km erhöht, und ab dem Bereich von Framstraße, der Barentssee, der Beringstraße und dem kanadisch-arktischen Archipel wurde die Auflösung weiter auf etwa 4.5 km erhöht. Die Meereissimulation basiert auf einer aktualisierten Version der EVP-Methode, in der alle Komponenten des Spannungstensors mit der gleichen Rate zu ihrem viskoplastischen Zustand hin relaxiert werden (Danilow et al., 2015). Um das numerische Rauschen in der Divergenz und Scherung der Eisgeschwindigkeit gering zu halten, wurden im EVP-Gleichungslöser 800 Zwischenzeitschritte berechnet. Das Modell wurde mit den atmosphärischen Randbedingungen aus der NCEP/NCAR-Reanalyse angetrieben. Die Zeitperiode 1948 bis 1977 wurde dabei zunächst für das Einschwingen des Modelles mit einem gröberen Gitter, d.h. ohne die Verfeinerung auf 4.5 km im arktischen Ozean, simuliert. Nach diesem Spin-Up wurde der erreichte Zustand auf das verfeinerte Gitter interpoliert und die Simulation für restlichen Zeitraum bis 2014 fortgeführt.

Visualisierung der simulierten Entwicklung des Meereises für 1985-2014. Die Meereiskonzentration ist über die Transparenz und Farbe dargestellt; die Meereisdicke über die Schattierung.

Die Animation zeigt die simulierte Meereiskonzentration und -dicke für die letzten 30 Jahre (1985 – 2014). Offensichtlich kann das Modell lange und schmale Risse darstellen; das sind typische beobachtete Phänomene (z.B. Wernecke and Kaleschke, 2015; Willmes and Heinemann, 2016). Eine weitere Analyse legt nahe, dass die verwendete EVP-Meereisrheologie bestimmte Charakteristika von beobachteter Meereisdeformation und Rinnenbildung reproduzieren kann, einschließlich der räumlichen Verteilung und der zeitlichen Variabilität. Dennoch ist die verwendete Auflösung nicht ausreichend, um alle Aspekte beobachteter Meereisrinnen realistisch abzubilden; so sind die meisten Rinnen in der Beobachtung deutlich schmaler (Tschudi et al., 2002). Sie ist eher als Mindestauflösung zu betrachten, ab der die Modelle anfangen, gewisse Qualitäten in der Simulation des Phänomens zu zeigen – vorausgesetzt, dass der numerischen Konvergenz der EVP-Gleichungslöser ausreichend Beachtung geschenkt wird.

In dieser Simulation (und in den Beobachtungen) gibt es wenig Anzeichen für signifikante Trends im Flächenanteil der Rinnen an der gesamten Meereisfläche im Winter. Das ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass der Windstress in der Arktis bisher ebenfalls keinen signifikanten Trend zeigt. Es bleibt zu untersuchen, ob der Flächenanteil der Rinnen im Winter in Klimaprojektionen steigt.

Daten and Text: Qiang Wang, Alfred-Wegener-Institut - Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

Visualisierung: Michael Böttinger, DKRZ

Citation: Wang, Qiang; Böttinger, Michael; Danilov, Sergey; Jung, Thomas (2016): FESOM Arctic Ocean sea ice concentration and thickness 1995-2014, links to movies in mp4 format. Alfred Wegener Institute, Helmholtz Center for Polar and Marine Research, Bremerhaven, PANGAEA, doi:10.1594/PANGAEA.860354

Literatur:

  • Wang, Q., S. Danilov, T. Jung, L. Kaleschke, and A. Wernecke (2016), Sea ice leads in the Arctic Ocean: Model assessment, interannual variability and trends, Geophys. Res. Lett., 43, doi:10.1002/2016GL068696
  • Danilov, S., Q.Wang, R. Timmermann, N. Iakovlev, D. Sidorenko, M. Kimmritz, T. Jung, and J. Schröeter (2015), Finite-Element Sea Ice Model (FESIM), version 2, Geoscientic Model Development, 8, 1747-1761.
  • Lüpkes, C., T. Vihma, G. Birnbaum, and U. Wacker (2008), Inuence of leads in sea ice on the temperature of the atmospheric boundary layer during polar night, Geophysical Research Letters, 35, L03,805.
  • Jung, T., and co-authors (2016), Advanced polar prediction capabilities on daily to seasonal time scales, Bulletin of the American Meteorological Society, accepted, doi:10.1175/BAMS-D-14-00246.1.
  • Tschudi, M. A., J. A. Curry, and J. A. Maslanik (2002), Characterization of springtime leads in the Beaufort/Chukchi Seas from airborne and satellite observations during FIRE/SHEBA, Journal of Geophysical Research-oceans, 107, 8034.
  • Wang, Q., S. Danilov, D. Sidorenko, R. Timmermann, C. Wekerle, X. Wang, T. Jung, and J. Schröter (2014), The Finite Element Sea Ice-Ocean Model (FESOM) v.1.4: for mulation of an ocean general circulation model, Geosci. Model Dev., 7, 663-693.
  • Wang Q., S. Danilov, T. Jung, L. Kaleschke, and A. Werneck (2016), Sea ice leads in the Arctic Ocean: Modelling, interannual variability and trends, submitted.
  • Wernecke, A., and L. Kaleschke (2015), Lead detection in Arctic sea ice from CryoSat-2: quality assessment, lead area fraction and width distribution, The Cryosphere, 9, 1955-1968.
  • Willmes, S., and G. Heinemann (2016), Sea-Ice Wintertime Lead Frequencies and Regional Characteristics in the Arctic, 2003-2015, Remote Sens., 8, 4.