11.06.2020

Anknüpfend an die vorausgegangenen ENES HPC-Workshops in Lecce (2011 & 2018), Toulouse (2013 & 2016) und Hamburg (2014) war der diesjährige 6. ENES HPC-Workshop für Klima und Wetter eigentlich als Präsenzveranstaltung für etwa 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer geplant. Die Veranstaltungsreihe wird von der "ENES HPC-Task Force" in etwa 2-jährigem Rhythmus durchgeführt.

Gastgeber für den diesjährigen Workshop, der durch das Horizon 2020-Projekt ESiWACE2 gefördert wurde, war das DKRZ. Aufgrund der COVID-19-Situation wurde die Veranstaltung mit insgesamt ca. 180 Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus 12 europäischen Ländern sowie aus den USA, China, Japan und Indien erstmals virtuell durchgeführt.

Der Workshop zielte darauf ab, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Bereich Erdsystemforschung und insbesondere –modellierung zusammenzubringen, sie über die neuesten Entwicklungen im Bereich Hochleistungsrechnen zu informieren und den Austausch untereinander und mit HPC-Experten zu fördern. Dazu fanden Veranstaltungsteile zu folgenden Themen statt:

  • Sehr hochaufgelöste Simulationen
  • Performance Portability
  • Maschinelles Lernen für Parametrisierungen
  • Exascale: Herausforderungen in Datenprozessierung und Visualisierung

 

Um für die Teilnehmenden die durch das Online-Format bedingten zusätzlichen Belastungen gering zu halten, wurde der ursprüngliche straffe Zeitplan entzerrt: die insgesamt 35 Vorträge wurden über vier Tage mit je einer dreistündigen Videokonferenz verteilt. Durch die Aufteilung in eine Vormittagsveranstaltung mit Vortragenden aus Asien und Nachmittagsveranstaltungen mit Beiträgen aus Europa und den USA konnten alle Vortragenden ihre Arbeiten zu landesspezifischen Tageszeiten präsentieren.  

Alle Vorträge wurden als Videokonferenz gehalten, wobei die Vortragsfolien und meist auch der Vortragende zu sehen waren. Fragen zu den Vorträgen wurden zunächst in Online-Dokumenten gesammelt und jeweils von den Sitzungsleitenden an die Vortragenden gerichtet. Dieses Vorgehen war bereits bei der diesjährigen Generalversammlung des Partnerprojekts IS-ENES3 zum Einsatz gekommen und hat sich auch beim virtuellen ENES HPC-Workshop bewährt.

de-2020_Mai_ESiWACEWS_HPCPeterDueben1.jpgMitarbeiterinnen und Mitarbeiter des DKRZ organisierten den Workshop und trugen auch aktiv zum Programm bei. Dr. Florian Ziemen vom DKRZ leitete gemeinsam mit Dr. Daniel Klocke vom Deutschen Wetterdienst (DWD) den ersten Veranstaltungsteil. Darin ging es um die Analyse von sehr hochaufgelösten und möglichst global gekoppelten sturm- und wirbelauflösenden Klima- und Wettersimulationen sowie um Lösungen für deren Gestaltung, Initialisierung und die Feinabstimmung (Tuning).

Dr. Maria Moreno de Castro aus der Abteilung Datenmanagement am DKRZ mahnte in ihrem Vortrag „Interpretable Machine Learning“ zur Vorsicht bei der Anwendung von „Black-Box-Modellen“ für Maschinelles Lernen (ML), da für den Anwendenden schwer ersichtlich ist, auf welcher Grundlage der verwendete Algorithmus eine Entscheidung getroffen. So können unerkannt systematische Abweichungen in den Ergebnissen entstehen. Als Alternative stellte sie zusätzlich zu interpretierbaren „Glasbox-Modellen“ einige Methoden der „erklärbaren künstlichen Intelligenz“ (XAI) vor, mit denen die Entscheidungen eines ML-Algorithmus nachvollzogen werden können. Zuletzt schlug sie den Bogen von diesen erklärbaren Modellen hin zu deren Anwendung für die Parametrisierung von Wolkenbildung und Niederschlagsprozessen in Wetter- und Klimamodellsimulationen.
Dr. Niklas Röber, stellvertretender Leiter des Arbeitspakets zur Datennachbearbeitung, Analyse und Visualisierung im Projekt ESiWACE2, steuerte einen Beitrag über aktuelle und zukünftige Aktivitäten zur Visualisierung enorm großer Datenmengen bei.

Ein Höhepunkt im ersten Veranstaltungsteil war der Vortrag von Prof. Björn Stevens, Direktor und Leiter der Abteilung „Atmosphäre im Erdsystem“ am Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M), über die nächste Generation von Erdsystemmodellen. Er beleuchtete bisher gewonnene Erkenntnisse aus technischer, wissenschaftlicher und soziologischer Sicht und zeigte zukünftige Herausforderungen auf, die eine Verstärkung gemeinsamer Anstrengungen nahelegen.

Den Auftakt zur Vortragsreihe „Performance Portability“ am zweiten Tag machte Prof. Satoshi Matsuoka, Direktor des RIKEN Zentrums für Computerwissenschaften (R-CCS) in Kobe, Japan und Professor am Tokyo Institute of Technology. In seinem Vortrag berichtete er ausführlich über Fugaku, den neuen Exascale-Supercomputer für Japan, der zurzeit unter der Leitung des R-CCS installiert wird und im Jahr 2021 den K-Computer ablösen soll. Planung und Entwicklung des neuen Exascale-Supercomputers waren ebenso Gegenstand des Vortrages wie die Systemkonfiguration, Rechenleistung und geplante Forschungsschwerpunkte. Neben dem Einsatz für Fragestellungen in der Erdsystemforschung soll Fugaku unter anderem auch für Simulationen zur Ausbreitung von COVID-19 eingesetzt werden.

Zum Thema „Performance Portability“ referierten unter anderem die ESiWACE2-Projektpartner Rupert Ford vom STFC Hartree Centre und Dr. Iva Kavcic vom MetOffice in England. Rupert Ford stellte neue Entwicklungen an PSyclone vor, einem domänenspezifischen Compilerprogramm, das unter anderem in LFRic, dem Wetter- und Klimamodell der nächsten Generation des MetOffice, eingesetzt wird, um domänenspezifischen Modellcode effizient in für komplexe Rechnerarchitekturen optimierten Code zu übersetzen. Dr. Iva Kavcic erläuterte in ihrem Vortrag, wie PSyclone im LFRic-Modell zur Anwendung kommt, wie dies die Rechenleistung (Performance) beeinflusst und welche Arbeiten für die Zukunft geplant sind, beispielsweise LFRic auf Grafikprozessoren (GPUs) zum Laufen zu bringen.  

Seitens der HPC-Industrie beteiligte sich Stan Posey von NVIDIA mit einem Vortrag über neueste Entwicklungen im Bereich Grafikprozessoren (GPUs) und ihrer Anwendung für Klima- und Wettersimulationen am Workshop-Programm.

Als rein virtuelle Veranstaltung nahm die Teilnehmerzahl und damit auch die Reichweite des Workshops deutlich zu, da die Teilnahme auch für diejenigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler möglich war, die nicht über ausreichende finanzielle Mittel für die Teilnahme an Präsenzveranstaltungen verfügen. Zudem konnte der CO2-Fußabdruck der Veranstaltung durch das rein virtuelle Format und den Verzicht auf Anreise und Unterkunft für die Teilnehmenden drastisch reduziert werden.

Während die Vorträge und auch die anschließenden Fragerunden und Diskussionen erfolgreich verliefen und viel Anklang fanden, fehlten dennoch Diskussionen und Austausch am Rande, welche typischerweise ein wichtiger Bestandteil von Präsenzveranstaltungen sind. Um den Nutzen zukünftiger emissionsarmer, d.h. virtueller Konferenzen und Workshops noch weiter zu vergrößern, braucht es neue Ideen für den Austausch der Teilnehmenden untereinander.

Der HPC-Workshop wurde am Mittwoch, den 27. Mai für das eintägige ESiWACE2-Jahrestreffen unterbrochen. Bei diesem kamen 53 Personen aus dem Kreis der ESiWACE2-Konsortialpartner in einer ganztägigen Videokonferenz zusammen. Zusätzlich zu Fortschrittsberichten aus den sieben Arbeitspaketen wurde u.a. über eine Zusammenführung einzelner projektinterner Arbeitsabläufe wie Simulationen, Datenspeicherung und Datennachbearbeitung, über Nachhaltigkeitsthemen sowie über Initiativen im HPC-Bereich diskutiert.

Das Programmkomitee des Workshops bestand aus Joachim Biercamp, Dela Spickermann und Florian Ziemen vom DKRZ, die auch für die Organisation und Durchführung verantwortlich waren, sowie Daniel Klocke (DWD), Sophie Valcke und Jean-Claude André (CERFACS), Mario Acosta und Kim Serradell (BSC), Reinhard Budich (MPI-M), Peter Düben (ECMWF), Sandro Fiore (CMCC) und Niklas Röber (DKRZ).

Der 7. ENES HPC-Workshop ist für 2022 geplant und wird vom BSC in Barcelona durchgeführt.

Weitere Informationen zum Workshop unter: https://www.esiwace.eu/events/6th-hpc-workshop/6th-hpc-workshop 

Webseite des ENES-Portals: https://portal.enes.org/