Durch den Luftverkehr wird eine ganze Reihe chemischer Substanzen emittiert. Neben Kohlendioxid (CO2) spielen auch Emissionen kurzlebiger Gase wie Stickoxide, Wasserdampf, Kohlenmonoxid, unverbrannte Kohlenwasserstoffe sowie von Ruß-Aerosolen eine bedeutende Rolle und verändern die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre (Lee et al., 2010). Durch Konzentrationsänderungen der Treibhausgase CO2, Ozon (O3), Wasserdampf (H2O) und Methan (CH4) sowie durch die Bildung von Kondensstreifen bzw. Kondensstreifen-Zirren trägt der Luftverkehr signifikant zum Klimawandel bei.
Mit Ausnahme von Kohlendioxid, das eine sehr lange Lebensdauer hat, zeichnet sich die Wirkung lokal begrenzter Emissionen des Luftverkehrs durch eine hohe räumliche und zeitliche Variabilität aus. Die REACT4C-Projektpartner haben mittels eines kombinierten Klima-Chemie-Modells (EMAC) und eines detaillierten Luftverkehrsmodells (SAAM) für den transatlantischen Luftverkehr untersucht, welche Routenänderungen nötig wären, um den Einfluss des Luftverkehrs auf den Klimawandel zu reduzieren. Dafür wurden für den Nordatlantik typische Winter- und Sommer-Wetterlagen ausgewählt (Irvine et al., 2013). Die markanteste Wetterlage war dabei durch einen besonders starken Jetstream (Strahlstrom) charakterisiert.
Abb. 1: Skizze der Luftverkehrs-Routenführung für kostenoptimierten Luftverkehr (rote Pfeile) und für klimaoptimierten Luftverkehr (grüne Pfeile).
Die Resultate zeigen, dass bei dieser Wetterlage durch eine horizontale Verlagerung der Routen (Abbildung 1, grüne Pfeile) Regionen vermieden werden können, in denen die Emissionen kurzlebiger strahlungsrelevanter Substanzen zur Klimaerwärmung beitragen. Mit nur kleinen Änderungen in der Streckenführung und Flughöhe des Luftverkehrs kann die Klimawirkung der Flüge um ca. 25% - bei gleichzeitig geringen Kostensteigerungen von weniger als 0,5% (Abbildung 2) - reduziert werden. Noch stärker klimaoptimierte Routen (Reduktion der Klimawirkung um 60%, Flugrichtung westwärts) können nur mit deutlich höherem Kostenaufwand erzielt werden (Kostensteigerung 15%).
Abb. 2: Beziehung zwischen Verringerung der Klimawirkung und Kostenanstieg bei Veränderungen der Flugrouten. Rote Bereiche zeigen Flüge nach Westen, blaue Bereiche zeigen Flüge nach Osten. Unten rechts ist jeweils der rein kostenoptimierte Luftverkehr dargestellt.
Durch die spezielle Wetterlage (Abbildung 3, links), die durch einen starken West-Ost-gerichteten Wind charakterisiert ist, bestehen deutliche Unterschiede zwischen west- und ostwärts gerichteten Flügen; so nutzen Routen nach Osten in der Regel den Rückenwind des Strahlstroms. Flüge, die den Strahlstrom verlassen und dadurch die Klimawirkung der nicht-CO2-Emissionen reduzieren, haben jedoch einen stark erhöhten Treibstoffbedarf. Für Flüge nach Osten verringert dies das Potenzial der Verringerung der Klimawirkung bei dieser spezifischen Wetterlage. Als Beispiel des Effektes der Klimawirkung kurzlebiger Emissionsbestandteile zeigt Abbildung 3 (rechts) die Klimawirkung lokaler NOX Emissionen. Durch Reaktionen von NOX mit anderen Verbindungen entsteht das Treibhausgas Ozon, das zum Anstieg der globalen Erwärmung beiträgt. Rote Bereiche markieren Regionen, wo NOX-Emissionen eine starke Klimawirkung haben. Diese Region fällt mit dem Bereich des Strahlstroms zusammen. Daher reduziert die Vermeidung des Strahlstroms auch die Klimawirkung durch NOX-Emissionen, erhöht aber für Flüge nach Osten sehr stark die CO2-Emissionen, da bei geringerem Rückenwind mehr Treibstoff verbraucht wird.
Ein Kernstück des Projekts war die Berechnung dieser Klimawirkungs-Karten für lokal begrenzte Emissionen, sogenannter Klima-Kostenfunktionen. Diese Berechnungen sind so aufwändig, dass Hochleistungsrechner erforderlich sind. Etwa zwei Millionen CPU-Stunden des DKRZ-Supercomputers Blizzard wurden für die Simulationen und einige Testexperimente aufgewandt.
Abb. 3: Links: Windgeschwindigkeit in Reiseflughöhe (m/s, Konturen zwischen 20 und 60 m/s). Rechts: Klima-Kostenfunktion für NOx via Ozonbildung in 10-13 K/kg (NO2). Die geopotentielle Höhe ist mit schwarzen Isolinien, die Windgeschwindigkeit mit blauen Isolinien dargestellt.
An dem ausgewählten Tag überquerten etwa 800 Flüge den Atlantik (Abbildung 4) - 400 in jeder Richtung. Auf Basis der Klima-Kostenfunktionen für die Emission von Kohlendioxid, Stickoxiden und Wasserdampf sowie für die Bildung von Kondensstreifen hat Eurocontrol den Luftverkehr hinsichtlich operativer Kosten (Abbildung 1, rote Pfeile) und Reduktion der Klimawirkung (Abbildung 1, grüne Pfeile) optimiert.
Abb. 4: Flugrouten des transatlantischen Luftverkehrs.
Die Modifikationen der Flugrouten betreffen nicht nur deren geografischen Verlauf, sondern auch die Flughöhe. Bei kostenoptimierten Flugrouten (Abbildung 2, unten rechts) beträgt die Reiseflughöhe meist um die 38.000 Fuß, also etwa 11,6 km (Abbildung 5, rot schattierte Fläche). Dies bleibt auch für die ersten 25% der maximal möglichen Verringerung der Klimawirkung (rote Linie) der Fall. Nur bei noch stärkerer Reduktion der klimawirkung reduziert sich die Flughöhe. Bei maximaler Klimaoptimierung (Abbildung 2, oben links) müsste die Reiseflughöhe der meisten Flüge etwa 30.000 Fuß (9.1 km) betragen (Abbildung 5, grün schattierte Fläche).
Abb. 5: Variation der Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion entlang der Kosten-Nutzen-Linie für Flugrouten nach Westen (siehe Abb. 2, rot).
REACT4C-Projektpartner:
- DLR, Institut für Physik der Atmosphäre, Deutschland
- Department of Meteorology, University of Reading, England
- CICERO, Oslo, Norwegen
- EUROCONTROL, Bruxelles, Belgien
Auszeichnung:
Die Arbeit wurde mit dem "Aviation Award 2014" ausgezeichnet. Mehr Informationen dazu
Autoren (Kontakt):
Sabine.Brinkop, DLR: Sabine.Brinkop[at]dlr.de
Volker Grewe, DLR: Volker.Grewe[at]dlr.de
Veröffentlichungen zu REACT4C:
-
Grewe, V., Frömming, C., Matthes, S., Brinkop, S., Ponater, M., Dietmüller, S., Jöckel, P., Garny, H., Dahlmann, K., Tsati, E., Søvde, O. A., Fuglestvedt, J., Berntsen, T. K., Shine, K. P., Irvine, E. A., Champougny, T., and Hullah, P.: Aircraft routing with minimal climate impact: The REACT4C climate cost function modelling approach (V1.0), Geosci. Model Dev. 7, 175-201, DOI: http://dx.doi.org/10.5194/gmd-7-175-2014, 2014.
-
Grewe, V., Champougny, T., Matthes, S., Frömming, C., Brinkop, S., Søvde, A.O., Irvine,E.A., Halscheidt, L., Reduction of the air traffic's contribution to climate change: A REACT4C case study, http://dx.doi.org/10.1016/j.atmosenv.2014.05.059, Atmos. Environm. 94, 616-625, 2014c.
-
Irvine, E. A., Hoskins, B. J., Shine, K. P., Lunnon, R. W. and Froemming, C.: Characterising North Atlantic weather patterns for climate-optimal aircraft routing. Meteorological Applications, 20 (1). pp. 80-93. ISSN 1469-8080 DOI: http://dx.doi.org/10.1002/met.1291, 2013.
-
Matthes, S., Schumann, U., Grewe, V., Frömming, C., Dahlmann, K., Koch, A., Mannstein, H., Climate Optimized Air Transport, 727-746, Ed. U. Schumann, ISBN 978-3-642-30182-7, ISBN 978-3-642-30183-4 (eBook), DOI: http://dx.doi.org/10.1007/978-3-642-30183-4, Springer Heidelberg New York Dordrecht London, 2012.
Referenzen:
-
Lee, D.S., Pitari ,G., Grewe, V., Gierens, K., Penner, J.E., Petzold, A., Prather, M.J., Schumann, U., Bais, A., Berntsen, T., Iachetti, D., Lim, L.L., Sausen, R., Transport impacts on atmosphere and climate: Aviation, Atmos. Environm. 44, 4678-4734, 2010.