Besonders in Asien – und dort vor allem in China und Indien – leiden Menschen unter Luftverschmutzung. Dort treten drei Viertel der weltweiten verschmutzungsbedingten Todesfälle auf. Nach Berechnungen (Lelieveld et al. 2015) sterben weltweit jährlich 3,3 Millionen Menschen, davon 1,4 Millionen in China und 650.000 in Indien, vorzeitig an den Folgen von Luftverschmutzung (Abbildung 1). In der EU führt die Belastung mit Feinstaub und Ozon jährlich zu 180.000 Todesfällen, davon 35.000 in Deutschland. In vielen Ländern sterben etwa zehnmal so viele Menschen aufgrund von Luftverschmutzung wie im Straßenverkehr.

Zusammenhang zwischen Sterblichkeit und Luftverschmutzung für 2010. ----- Mortality linked to outdoor air pollution in 2010.
Abb. 1: Zusammenhang zwischen Sterblichkeit und Luftverschmutzung für 2010. Sterblichkeit gemessen in Todesfällen pro 100km x 100km (farbkodiert). In weißen Gebieten liegen die jährlichen mittleren Feinstaub- (PM2,5)  und Ozon (O3)-Werte unterhalb der Konzentrationswirkungsschwellen, unterhalb derer keine erhöhte Sterblichkeit zu erwarten ist (aus
Nature, Lelieveld et al., 2015).

Dieses Projekt untersucht mithilfe des numerischen Modell EMAC (ECHAM5/MESSy, Atmospheric Chemistry, Joeckel et al. 2012), wie die Sterberaten durch die Luftverschmutzung beeinflusst werden. Dabei sind verschiedene Emissionsquellen zu berücksichtigen: Industrie, Verkehr, Landwirtschaft, mit fossilen Brennstoffen betriebene Kraftwerke, sowie die häusliche Energienutzung. Unter letzteren fassen die Forscher Dieselgeneratoren, kleine Öfen und offene, qualmende Holzfeuer zusammen, die viele Menschen in Asien zum Heizen und Kochen nutzen. Außerdem wurden die Sterberaten einzelner Länder sowie der Anteil der durch unterschiedliche Krankheiten ausgelösten Todesfälle berechnet - beides Informationen, die zur Unterstützung politischer Entscheidungen dienen können. Das numerische Modell wird dazu eingesetzt, die Konzentration der Schadstoffe in der Atmosphäre abzuschätzen (und vorherzusagen, siehe dazu auch diese Visualisierung in unserer Mediathek). In Verbindung mit epidemiologischen Studien geben diese Werte dann Aufschluss über den Einfluss der Luftverschmutzung auf das Ausmaß von vorzeitigen Todesfällen.

Die Verwendung eines globalen Modells für Atmosphärenchemie ist für die Berechnung der Konzentration von Luftschadstoffen notwendig und um Daten für Orte zu liefern, an denen keine Messungen der Luftqualität erfolgen. Darüber hinaus dient das globale Modell dazu, mögliche Zukunftsszenarien (siehe unten) aus der derzeitigen Datenlage zu extrapolieren. Allerdings ist die Computer-Berechnung eines derart komplexen Modells extrem kostenintensiv. Das EMAC-Modell beinhaltet nicht nur Berechnungen der Dynamik und des daraus resultierenden Tracer-Transports (mittels des Grundmodells ECHAM5), sondern auch die Berechnung der chemischen Fotooxidation der Tracer sowie verschiedene Reinigungsmechanismen wie die feuchte und trockene Schadstoffdeposition (mittels des MESSy-Untermodells). Die Nutzung der DKRZ-Supercomputer ist deshalb von entscheidender Bedeutung für den Erfolg des Projektes. Für die von Lelieveld et al. (2015) beschriebenen Berechnungen wurden bereits rund eine Million CPU-Stunden des Vorgängerrechners "Blizzard" genutzt, und weitere eine bis zwei Millionen CPU-Stunden auf "Mistral" werden benötigt, um aufzuzeigen, wie die mögliche Verschlechterung der Luftqualität auf unserem Planeten verhindert werden kann.

Die Arbeiten von Pozzer et al. (2012), vergleiche Abbildung 2, und Lelieveld et al. (2015) zeigen, dass sich die luftverschmutzungsbedingte Sterberate in einem zukünftigen „Business-as-usual“-Szenario drastisch erhöhen wird. Lelieveld et al. (2015) schätzen, dass sich, wenn die Emissionen weiterhin im jetzigen Ausmaß ansteigen und nicht durch neue Gesetze reduziert werden, die durch Luftverschmutzung verursachte Sterberate in Süd- und Ostasien bis zum Jahr 2050 verdoppeln wird. Die Zahl Smog-induzierter Todesfälle könnte weltweit auf bis zu 6,6 Millionen pro Jahr ansteigen, was einer Verdoppelung des derzeitigen Wertes gleichkäme. In Europa und den USA wird die verschmutzungsbedingte Mortalität voraussichtlich moderat ansteigen, vor allem in größeren Städten. Diese düsteren Szenarien können jedoch durch zusätzliche Gesetzgebungsmaßnahmen vermieden werden. Wie Giannadaki et al. (2015) gezeigt haben, könnte die Umsetzung einer strengen Gesetzgebung wie der der USA die Sterblichkeit in Ostasien um bis zu 69% reduzieren.

Veränderungen des Luftqualitätsindex verschiedener Schadstoffe zwischen 2005 und 2050 (Pozzer et al., 2015) ----- Changes in Air Quality Index between 2005 and 2050 (Pozzer et al., 2015)
Abb. 2: Veränderungen des Luftqualitätsindex verschiedener Schadstoffe zwischen 2005 und 2050 für unterschiedliche Staaten (30 Länder mit den stärksten Veränderungen) im Rahmen eines „Business-as-usual“-Szenarios (Pozzer et al., 2012). Je höher die Steigerung, desto schlechter wird die Luftqualität bei Zugrundelegung der aktuellen Werte bis zum Jahr 2050. Die rot gestrichelte Linie zeigt die globale Veränderung zwischen 2005 und 2050.

Aus diesem Grund ist es wesentlich, eine Einschätzung vorzunehmen, ob die während der letzten 20 Jahre in Europa getroffenen Gesetzgebungsmaßnahmen tatsächlich effizient zur Reduzierung der Luftverschmutzung und Verbesserung der Luftqualität beigetragen haben. In diesem Sinn wird die Anwendung der neu entwickelten Emissions-Szenarien vom JRC (Joint Research Centre, European Commission) dazu beitragen, die Auswirkungen neuer Technologien und geänderter Energienutzung auf die Luftqualität in Europa und der Welt einzuschätzen.

Autor:

Andrea Pozzer,

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Literatur:

Giannadaki, D., Lelieveld, J. and Pozzer, A.: “Implementing the US air quality tandard for PM2.5 worldwide can prevent millions of premature deaths per year”, Environmental Health,15:88, doi:10.1186/s12940-016-0170-8, 2016.

Jöckel, P., Kerkweg, A., Pozzer, A., Sander, R., Tost, H., Riede, H., Baumgaertner, A., Gromov, S., and Kern, B.: “Development cycle 2 of the Modular Earth Submodel System (MESSy2)”, Geosci. Model Dev., 3, 717-752, doi:10.5194/gmd-3-717-2010, 2010.

Lelieveld, J., Evans, J.S., Fnais, M., Giannadaki, D., and Pozzer, A.: “The contribution of outdoor air pollution sources to premature mortality on a global scale”, Nature, 525, 367-371, doi:10.1038/nature15371, 2015.

Pozzer, A., Zimmermann, P., Doering, U.M., van Aardenne, J., Tost, H., Dentener, F., Janssens-Maenhout, G., and Lelieveld, J.: “Effects of business-as-usual anthropogenic emissions on air quality”, Atmos. Chem. Phys., 12, 6915-6937, doi:10.5194/acp-12-6915-2012, 2012.