Drei-Monats-Prognosen – auch Jahreszeiten-Vorhersagen oder saisonale Vorhersagen genannt – geben einen Durchschnittswert für das Wetter in den nächsten drei Monaten an. Mit verbesserter Zuverlässigkeit könnten sie wichtige Daten für Landwirtschaft und Industrie liefern.

Doch der Winter über Europa galt bisher als kaum vorhersagbar, die so genannte Nordatlantische Oszillation (kurz NAO) als zu chaotisch. Doch gerade dieses typische Zusammenspiel von Island-Tief und Azoren-Hoch hat auf den Winter in vielen Teilen Europas einen besonders starken Einfluss. Dies machte sich das Team um Dobrynin zunutze. Die NAO funktioniert wie ein Schalter, der jeweils den Weg der Luftströmungen über dem Atlantik beeinflusst. Kann man vorhersagen, wie der Schalter steht, erhalten wir Hinweise auf das zukünftige mittlere Wetter in Europa.

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Abbildung 1: Darstellung der mittleren Nordatlantischen Oszillation (NAO) im Winter – sie kann Hinweise auf das zukünftige mittlere Wetter in Europa geben. Die Stärke der NAO ist durch das Verhältnis von Islandtief (hier rot) zu Azorenhoch (blau) charakterisiert. Je größer der Druckunterschied, um so stärker ist das Einströmen feuchter Meeresluft vom Atlantik nach Europa (Quelle: Dobrynin et. al 2018).

Mit einem neuen Verfahren kann Dobrynin die Schalterphasen der NAO erstmals viel sicherer vorhersagen: Wie die Auswertung der Winter von 2001 bis 2017 zeigte, haben sich die Prognosen in mehr als 50 Prozent der Fälle verbessert. Dies ist damit weltweit das erste Mal, dass eine Prognose für Europa eine ähnlich hohe Qualität wie für die Tropen erreicht.

„Zwar gibt es schon länger internationale und deutsche Projekte zu saisonalen Vorhersagen, doch bisher waren die Ergebnisse kaum besser, als wenn wir geraten hätten“, so Dobrynin. „Jetzt erreichen wir zum ersten Mal eine sehr gute Trefferquote.“

Der Ozeanograf bezieht dafür so genannte Telekonnektionen mit ein. Dies sind bestimmte Regionen rund um den Globus verstreut, die eine deutliche Verbindung zum mittleren Wetter einer anderen Region der Erde haben. So beeinflusst zum Beispiel die Schneedicke in Sibirien im Oktober den kommenden Winter in Europa, ebenso wie der Nordatlantische Ozean oder höhere Luftschichten über der Arktis. Telekonnektionen sind schwer zu identifizieren und verändern sich noch dazu im Laufe der Zeit. Einbezogen in Drei-Monats-Vorhersagen können sie diese aber offenbar viel genauer machen – und sind damit potenziell als neues Werkzeug für bessere Prognosen weltweit geeignet.

Die zur Entwicklung der Methode nötigen Klimamodellrechnungen wurden am Deutschen Klimarechenzentrum durchgeführt. Dobrynin nutzte dafür den Mistral-Hochleistungsrechner und benötigte rund 70.000 Knotenstunden (node hours). Das entspricht 23 Stunden reiner Rechenzeit, wenn der gesamte Mistral nur für diese Aufgabe genutzt wird. Ein typischer Laptop hätte für diese Rechnungen mehr als 60 Jahre gebraucht.

In einem europäischen Projekt wird Dobrynin jetzt die neue Methode in vier unterschiedliche Prognose-Systeme einbauen. So kann das Werkzeug in Echtzeit getestet und verglichen werden. Den Anfang macht das von ihm mit entwickelte German Climate Forecast System (GCFS), das der Deutsche Wetterdienst betreibt. Hier wurde eine Vorhersage für die Monate Januar bis März 2019 gemacht. Erstes Ergebnis: Die drei Wintermonate werden in Deutschland im Durchschnitt etwa ein Grad wärmer sein als üblich. Ende März werden wir wissen, wer näher dran lag: Die GCFS-Vorhersage ohne Dobrynins Methode ergibt nur einen um 0,5 Grad wärmeren Winter.

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Publikationen:

Dobrynin M., Domeisen D. I. V., Müller W. A., Bell L., Brune S., Bunzel F., Düsterhus A., Fröhlich K., Pohlmann H., Baehr J. (2018): Improved teleconnection-based dynamical seasonal predictions of boreal winter. Geophysical Research Letters, 43. https://doi.org/10.1002/2018GL077209

Weitere Infos zum German Climate Forecast System (GCFS):